Bundesrat schwächt das «Recht auf gewaltfreie Erziehung» massiv ab
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Dienstag, 7. November 2023
Die von den Eidgenössischen Räten mit grosser Mehrheit angenommene Motion (Nr. 19.4632) beauftragte den Bundesrat für Kinder ‘das Recht auf gewaltfreie Erziehung’ im Zivilgesetzbuch (ZGB) zu verankern.
Der Bericht des Bundes und der Vorentwurf des Gesetzestextes setzen die Motion indessen bei falscher Ausgangslage (Ziff.1 der Vernehmlassung) nicht wirklich um.
Einerseits verzichtet die vorgeschlagene Norm mit nicht stichhaltiger Begründung das Recht auf gewaltfreie Erziehung ausdrücklich im Gesetz zu verankern (Ziff. 2 der Vernehmlassung).
Andererseits will sich der Bund im Bereich der absolut notwendigen Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen nicht engagieren (Ziff.3 der Vernehmlassung).
Aus unserer Sicht muss der Bundesrat die Vorlage tiefgreifend überarbeiten.
> Vollständige Stellungnahme an den Bundesrat
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Ziel erreicht: Das Parlament will gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern.
Donnerstag, 15. Dezember 2022
Es ist geschafft: Das Gebot der gewaltfreien Erziehung von Kindern hält Einzug ins Zivilgesetzbuch. Gestern sagte der Ständerat mit 27 zu 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen JA zur Motion von Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR); der Nationalrat hatte sie schon vor gut einem Jahr gutgeheissen.
Ein Glanzresultat: Wir freuen uns!
Eine lange Geschichte hat ihren Höhepunkt erreicht: Über nunmehr 15 Jahre haben Parlamentarierinnen immer wieder Vorstösse eingereicht, die eine Verankerung der gewaltfreien Erziehung im ZGB forderten: Doris Stump (SP, 2005), Jacqueline Fehr (SP, 2007), Yvonne Feri (SP, 2013); Chantal Galladé (SP, 2015), Géraldine Marchand-Balet (CVP, 2018) und zu guter Letzt Christine Bulliard-Marbach (Mitte, 2019). Zahlreiche Menschen und Organisationen haben sich für dieses Ziel eingesetzt, im Tessin, in der Romandie, in der Deutschschweiz.
Obwohl der Bundesrat sämtliche Vorlagen immer wieder ablehnte, gelang es endlich, das ganze Parlament für ein JA zu einem Gesetz zu gewinnen. Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR) formulierte seinen Meinungsumschwung in der Debatte so: «Mein erster Gedanke war, dass ein Gesetz nichts bringt, aber inzwischen komme ich zum Schluss, dass es doch einen Nutzen haben könnte.»
Und so muss sich nun der Bundesrat dem National- und Ständerat fügen. Er wurde beauftragt, ein Gesetz für die gewaltfreie Erziehung auszuarbeiten. Und seit wir wissen, dass Elisabeth Baume-Schneider im Januar 2023 Karin Keller-Sutter (KKS) als Bundesrätin im Justizdepartement ablösen wird, bestehen gute Chancen, dass die Erarbeitung eines Gesetzes ein gutes Resultat ergeben kann. Denn KKS hat in den letzten Jahren, als sie Justizministerin war, alles dafür getan, um ein Gesetz zu blockieren: In ihrem Departement, im Nationalrat und zuletzt im Ständerat. Sie hat verloren. Und das ist auch gut so, denn die Schweiz wurde von der Uno in der Vergangenheit mehrfach gerügt, weil sie nicht bereit war, ein Gesetz für die gewaltfreie Erziehung zu verankern.
Interview auf SRF:
Recht auf Gewaltfreiheit:
Christine Bulliard-Marbach: «Wir reden nicht von einer einzigen Ohrfeige»
Hier anschauen -
Demnächst keine Ohrfeigen mehr ?
Freitag, 4. November 2022
Haben Sie den Überblick verloren? Mal sagt der Nationalrat Ja, dann der Bundesrat wieder Nein... Wer soll da noch den Durchblick behalten:
Es stimmt, vor zwei Wochen empfahl der Bundesrat der Rechtskommission des Ständerates, die Motion 19.4632 («Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern») abzulehnen.
Heute hat die Rechtskommission anders entschieden:
Sie ist mit dem Bundesrat nicht einverstanden, wonach Kinder und Jugendliche mit den geltenden Gesetzen ausreichend vor Gewalt in der Erziehung geschützt seien. Im Gegenteil, die Kommission folgt unserer Argumentation: Sie findet, dass mit einem Gesetz für gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch ein "starkes Zeichen gegen alle Formen von Gewalt gegen Kinder (Ohrfeigen, Schläge auf den Hintern, Klapse usw.) gesetzt und damit ein gesellschaftlicher Sinneswandel" herbeigeführt werden könnte.
ENDLICH ein JA
Der langen Rede kurzer Sinn: Die Rechtskommission hat mit 8 zu 3 Stimmen bei 2 Enthaltungen die von Nationalrätin Bulliard-Marbach eingereichte Motion 19.4632 («Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern») angenommen .
Das ist ein grossartiges Resultat. Endlich, nach so vielen Aufs und Abs besteht also die Chance, dass nun auch der Ständerat (der Nationalrat hat bereits zugestimmt) - vermutlich in der kommenden Wintersession - Ja sagt zu einem Gesetz für die gewaltfreie Erziehung im ZGB.
Wir halten durch! -
Bundesrat sagt schon wieder Nein
Mittwoch, 19. Oktober 2022
Heute verabschiedete der Bundesrat den Postualtsbericht (Postulat) zur gewaltfreien Erziehung. Danach empfiehlt er der Rechtskommission des Ständerates, die Motion Nr. 19.4632 "Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern" abzulehnen.
Obwohl der Nationalrat mit 111 zu 79 Stimmen im September 2021 die Motion von CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach deutlich angenommen hat, soll nun die Motion abgelehnt werden.Wir sind enttäuscht und verwundert: Der Entscheid des Bundesrates zeigt, dass er trotz mehrmaligen Empfehlungen von verschiedenen UN-Gremien für die Rechte des Kindes und zahlreicher Studien zur Gewalt an Kindern in der Schweiz nichts gelernt hat.
Wir zählen nun auf die Klugheit des Ständerates im November. Wir hoffen, dass er der Motion zustimmt, damit auch die Schweiz endlich ein Gesetz hat, das Gewalt an Kindern untersagt, so wie das die meisten europäischen Länder tun.
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Rechtskommission Ständerat: Bericht des Bundesrates abwarten
Freitag, 18. Februar 2022
Im Februar beriet die Rechtskommission des Ständerates die Motion Nr. 19.4632 "Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern". Weil die Motionärin, Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, nach der Einreichung ihrer Motion im Dezember 2019 der Sache Nachdruck verleihen wollte, reichte sie drei Monate später einen weiteren Vorstoss im Parlament ein, nämlich ein Postulat. Ein Postulat verlangt vom Bundesrat einen Bericht; in diesem Fall wurde der Bundesrat beauftragt "zu prüfen und in einem Bericht darzustellen, wie der Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung im ZGB verankert werden kann". Es sind also derzeit zum Thema gewaltfreie Erziehung zwei Vorstösse hängig im Bundesparlament, eine Motion und eine Postulat.
Die Rechtskommission möchte nun, so teilt sie in ihrer Medienmitteilung mit, den Bericht zum Postulat und die darin vom Bundesrat präsentierten Lösungsvarianten abwarten. Erst dann wird der Ständerat über die Motion "Gewaltfreie Erziehung im ZGB" befinden.
Der Bericht des Bundesrates wird voraussichtlich im Sommer 2022 vorliegen. Die Kommission wird also die Beratung der Motion erst in der Herbst-Session weiterzuführen.
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Etappensieg im Nationalrat
Donnerstag, 30. September 2021
Viele Anläufe waren über die Jahre nötig, viele Vorstösse wurden in den letzten Jahren eingereicht - und abgelehnt. Doch heute sagte der Nationalrat mit 111 zu 79 Stimmen endlich JA zur gewaltfreien Erziehung, und zwar in Form der Motion Nr. 19.4632 von CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach. Wir danken Frau Bulliard-Marbach an dieser Stelle von ganzem Herzen für ihr Engagement und ihre Unterstützung.
Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, "im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) einen Artikel aufzunehmen, worin für Kinder das Recht auf gewaltfreie Erziehung verbrieft wird. Unsere Kinder müssen vor körperlicher Bestrafung, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Massnahmen geschützt werden" (Motion). Wie soll ein solcher Artikel aussehen? Ein Blick nach Deutschland vereinfacht die ganze Debatte: "Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig". So steht es im deutschen Zivilgesetzbuch (BGB Art. 1631, Abs. 2). Warum muss man alles selber erfinden, wenn bei unseren Nachbarn schon viel gedacht und erarbeitet wurde? Denn: Dieses Gesetz, das seit bald 20 Jahren in Kraft ist in Deutschland, hat die Sensibilität vieler Eltern erhöht - und schlussendlich die Gewalt an Kindern gesenkt.
Zurück in die Schweiz: Die nächste Etappe findet im Ständerat resp. in der Rechtskommission des Ständesrates statt, sie muss nun der Motion zustimmen. Und dann der Ständerat. Nachdem nun der Erstrat, der Nationalrat, die Motion angenommen hat, besteht die Hoffnung, auch der Ständerat habe ein Einsehen. Was hat sich verändert: Die Coronazeiten, insbesondere, die Lockdowns, haben verschärft zu Tage gebracht, dass die häusliche Gewalt während der Pandemie zugenommen hat. Somit sind auch Kinder vermehrt Gewalt ausgesetzt. Auch sie gilt es zu schützen.Fernsehen SRF strahlte im Oktober einen sehr guten Dokumentarfilm zur Gewalt in der Erziehung von Andrea Pfalzgraf aus: "Was elterliche Gewalt mit Kindern macht". Das Thema wird aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Betroffene erzählen, zahlreiche Fachleute - wie z.B. der Kinderarzt Dr. Georg Staubli. Er arbeitet in Zürich in der Kindernotfallmedizin und schildert eindrücklich seine Alltagsbeobachtungen in seiner Arbeit.
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Nationalrat sagt JA zum Schutz von Kindern
Donnerstag, 17. Dezember 2020
Am 9. Dezember stimmten alle Fraktionen, außer der SVP, im Nationalrat einem Postulat zur gewaltfreien Erziehung zu. Damit beauftragt er den Bundesrat zu überlegen, wie dem Anliegen im ZGB den Grundsatz der gewaltfreien Erziehung zu verankern, am besten entsprochen werden kann. Bundesrätin Karin Keller-Sutter empfahl dem Parlament die Annahme des Vorstosses, sagte aber: «Der Bundesrat ist überzeugt davon, dass eine Bestimmung im Zivilgesetzbuch nicht die Lösung des Problems ist.» Er sei jedoch bereit, zu prüfen wie dem Anliegen, nämlich dem Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung, am besten entsprochen werden kann.
Nun ist der Ball beim Bundesrat. Wir werden uns mit unserer Petition von 10'000 Unterschriften beim Bundesrat weiter dafür einsetzen, dass ein wirksamer Schutz von Kindern vor Gewalt im ZGB verankert wird. Wir bleiben dran!
Debatte im Parlament hier
Ombudsstelle für Kinder angenommen
Im September nahm der Nationalrat die Motion «Ombudsstelle für Kinderrechte» an. Ein enormer Erfolg für die Kinderrechte in der Schweiz. Nachdem der Ständerat der Motion bereits im März zugestimmt hatte, ist nun der Bundesrat an der Reihe: Er hat zwei Jahre Zeit, dem Parlament die Rechtsgrundlagen für eine Ombudsstelle für Kinderrechte zur Beratung vorzulegen.
Ombudsstelle hier -
Bundesrat sagt wieder Nein
Montag, 2. März 2020
Wir nehmen heute enttäuscht zur Kenntnis, dass der Bundesrat die Motion von CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, FR, abgelehnt hat. Diese Motion verlangt, dass im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) – nicht im Strafrecht ! - ein Artikel aufgenommen wird, worin für Kinder das Recht auf gewaltfreie Erziehung verankert wird.
Es ist unverständlich, dass der Bundesrat einmal mehr Nein sagt zu einem Gesetzesartikel, der Kinder besser vor Gewalt schützen könnte. Darüber sind sich sehr viele Fachleute im In- und Ausland, die in der Kinder- und Jugendhilfe oder Kinderspitälern arbeiten, einig. (...)
vollständiger Pressetext hier
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Dieser Tage entscheidet der Bundesrat
Mittwoch, 19. Februar 2020
Am 20. Dezember 2019 reichte CVP-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach, FR, erneut eine Motion für die gewaltfreie Erziehung im Nationalrat ein. Der Bundesrat hat drei Monate Zeit, seine Position zu erarbeiten. Nächste Woche ist es soweit. Es ist nicht die erste Motion, es ist in etwa die vierte. Jedes Mal lehnte der Bundesrat die Vorstösse ab mit der Begründung, ein Züchtigungsrecht der Eltern sei heute mit dem Kindeswohl nicht mehr vereinbar. Deshalb sei es nicht notwendig, ein ausdrückliches Züchtigungsverbot im Zivilgesetzbuch (ZGB; SR 210) zu verankern. Zudem unterstünden Kinder dem Schutz durch das Strafrecht. Das Strafrecht aber ist für weniger gravierende Fälle von Gewaltanwendung wirkungslos. Es braucht ein Signal, dass wir in unserem Land nicht wollen, dass Kinder geschlagen oder psychisch verletzt werden.
Wir wünschen uns als vom Bundesrat, dass er die wohlformulierte und präzise Motion von Frau Bulliard-Marbach positiv beantwortet.
Denn es gibt zahlreiche gute Gründe dafür, einige seien hier nochmals aufgezählt:
- Schläge sind kontraproduktiv und schaden der Entwickllung des Kindes. Ohrfeigen oder Klapse erniedrigen und demütigen ein Kind.
- Ein Gesetz im Zivilgesetzbuch (ZGB) hat eine hohe Signalwirkung und führt längerfristig zu einem gesellschaftlichen Sinneswandel.
- Das sieht man in unseren Nachbarländern; in Deutschland etwa hat seit der Einführung des Artikels 1631 im BGB für eine gewaltfreie Erziehung ein Sinneswandel stattgefunden: "Das Gesetz fördert nicht nur kritische Einstellungen zur Gewalt, sondern sensibilisiert obendrein für Gewalt in der Erziehung". Dies schreibt der deutsche Strafrechtler Prof. Dr. Kai D. Bussmann in seiner Studie (2010).
- Diese Studie bestätigt, dass das Gewaltniveau seit der Einführung des Gesetzes in Deutschland deutlich gesunken ist.
- Die Schweiz muss die UN-Konvention für die Rechte des Kindes umsetzen. Die Uno hat die Schweiz schon zweimal gerügt, weil sie noch kein Gesetz für die gewaltfreie Erziehung im ZGB verankert hat.
- Übrigens unterstützt auch die Eidgenössische Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ mit einem 20-seitigen Bericht die Notwendigkeit eines solches ZGB-Artikels.
- Ein ZGB-Artikel ermöglicht dem Bund, Informationsmassnahmen zu finanzieren, die das Verbot von Körperstrafen und seelische Gewalt an Kindern bekannt macht. Die schwedische Regierung zum Beispiel lancierte eine erfolgreiche Kampagne auf Milchtüten: Sie informierte über die Folgen für Kinder, wenn sie Gewalt erfahren, aber auch über die gesellschaftliche Folgen und die Folgen für das Gesundheitssystem.
Nun appellieren wir an die Vernunft und Klugheit des Bundesrates, zahlreiche Gründe und Studien liegen auf dem Tisch, warum es ein solches Gesetz im ZGB braucht. Fachleute, die in der Kinder- und Jugendhilfe oder in Spitälern tätig sind, fordern vehement ein solches Gesetz. Unsere Initiative wird von mehr als 70 Fachleuten und mehr als 10 Organisation, die im Thema Kinderrechte in der Schweiz tätig sind, unterstützt. Übrigens auch von Flavia Frei, Vize-Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen EKKJ.
Die genannten Fachleute haben täglich mit den Folgen der Gewalt an Kindern zu tun. Lesen Sie den Artikel im Tages-Anzeiger "Die Tendenz ist erschreckend". Hier wird berichtet, dass das Kinderspital Zürich 2019 eine Zunahme der Fälle verzeichnete, in denen ein Verdacht auf Misshandlung an Kindern bestand. Diese erschreckende Tatsache kann nicht ignoriert werden, auch nicht vom Bundesrat.
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Montag, 25. November 2019
Die UN-Konvention für die Kinderrechte wird 30 - liebt die Schweiz ihre Kinder?
Am 20. November 1989 nahm die Uno die Konvention für die Rechte des Kindes an. Die Schweiz ratifizierte sie acht Jahre später. Die Umsetzung in der Schweiz harzt. Zwar laufen auf vielen Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) intensive Bemühungen, die Konvention umzusetzen, doch es klemmt noch an einigen Stellen. So sind schon mehrere Motionen im Nationalrat gescheitert, die eine gesetzliche Verankerung des Rechtes auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch (ZGB) forderten. Dies, obwohl ein solches Gesetz einer Empfehlung der zuständigen UN-Kommission entspricht. Der Nationalrat bekommt demnächst eine neue Chance: Die Walliser alt CVP-Nationalrätin Géraldine Marchand-Balet* reichte im Juni 2018 erneut eine Motion ein. Darin fordert sie ein Gesetz, wonach körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Massnahmen als unzulässig erklärt werden. Unsere Nachbarn haben damit gute Erfahrungen gemacht. In Deutschland und in Österreich beispielsweise hat das Gewaltniveau seit der Einführung eines entsprechenden Gesetzes deutlich abgenommen.
Philip Jaffé, Direktor des Centre of Childrens Rights der Universität Genf und seit 2018 Mitglied in der UN-Kommission für die Rechte des Kindes, macht eine klare Ansage: «Die Schweiz liebt ihre Kinder. Und wir sind ein reiches Land. Also sollten wir der Welt zeigen, dass die Rechte unserer Kinder Priorität haben.»
* die Motion wurde von CVP-Nationalrätin Christine Buillard-Marbach, FR, mitunterzeichnet und wird nun von ihr in der kommenden Session übernommen.
Weiterlesen:
Die UN-Konvention für die Rechte des Kindes wird 30 in Sozial Aktuell
Die Kinder im Waisenhaus Dom Sierot in Warschau - Janus Korczak gilt als Begründer der UN-Konvention für die Rechte des Kindes
Kinder besser schützen - auch in der Familie in VPOD-Zeitung
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Montag, 19. November 2018
Internationaler Tag der Kinderrechte 2018
Am 20. November 1989 hat die UN-Vollversammlung die Konvention für die Rechte des Kindes verabschiedet. Seither ist der 20. November weltweit der Jahrestag der Kinderrechte, an dem Themen wie Kindesschutz, Kinderpolitik und vor allem Kinderrechte ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Von Barbara Heuberger
Schutz vor Misshandlung
Ganz in diesem Sinne werfe ich heute ein Schlaglicht auf Artikel 19 dieser Konvention: Er fordert, dass der Staat Kinder explizit vor jeder Form von Misshandlung durch ihre Eltern oder andere Betreuungspersonen schützen muss. Auch die Schweiz hat die Konvention für die Rechte des Kindes im Jahr 1997 ratifiziert und sich verpflichtet, sie umzusetzen. Dazu gehört ein gesetzlich verankertes Recht für Kinder auf gewaltfreie Erziehung.
Der Bundesrat sagt stets nein
Doch der Bundesrat und das Parlament weigern sich bis heute, Gewalt an Kinder in einem Gesetzesartikel als unzulässig zu erklären. In den letzten Jahren wurden auf Bundesebene mehrere Vorstösse (Motionen) abgelehnt, die ein Recht auf gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch (ZGB) festschreiben wollten.
Neuer Vorstoss aus der CVP
Im letzten Juni hat Géraldine Marchand-Balet, CVP Wallis, einen weiteren Anlauf genommen und eine neue Motion eingereicht. Darin fordert auch sie einen Artikel im ZGB, der die gewaltfreie Erziehung gesetzlich verankern soll. Ihre Begründung: «Die Abschaffung des Züchtigungsrechts der Eltern im Jahr 1978 war ein erster Schritt hin zum Schutz der physischen Integrität des Kindes. Die bestehende Rechtsunsicherheit sowie traditionelle Verhaltensmuster führen aber dazu, dass die Anwendung von Gewalt gegenüber Kindern in unserer Gesellschaft noch immer vertretbar erscheint.»
Der Bundesrat hat die Motion von Géraldine Marchand-Balet zügig beantwortet, und zwar mit einem Nein. In seiner Absage argumentiert er wie schon bei den vorangegangenen Motionen: Ein Züchtigungsrecht der Eltern sei heute mit dem Kindeswohl nicht mehr vereinbar, und deshalb sei es unnötig, im ZGB ein ausdrückliches Züchtigungsverbot zu verankern.
Wie bitte? Da scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Es gibt zwar kein Züchtigungsrecht mehr, doch sind sich zahlreiche Fachleute weltweit einig: Es braucht ein explizites Recht auf gewaltfreie Erziehung im Gesetz. Zum Beispiel so wie es im deutschen Bundesgesetz steht: «Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Massnahmen sind unzulässig» (BGB Art. 1631, Abs. 2).
Sogar Nepal hat ein Verbot
Übrigens hat im September 2018 Nepal als 54. Land ein solches Verbot in Kraft gesetzt. 56 weitere Länder sind im Begriff, ihre Gesetze dahingehend zu ändern. Und die Schweiz? Sie wird zwar von der Uno regelmässig kritisiert, weil sie noch kein explizites Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung etabliert hat, lehnt diese Forderung aber immer noch ab.
Zynisch erscheint mir, dass der Bundesrat sich stets mit demselben Argument aus der Verantwortung zieht: Das Strafrecht biete Kindern genügend Schutz. Wirklich? Das Strafrecht verlangt eine Anzeige. Hat sich der Bundesrat überlegt, wer denn Anzeige erstatten soll, wenn ein Kind geschlagen wird? Das Kind etwa?
Schläge sind kontraproduktiv
Es ist nach wie vor unverständlich, warum sich der Bundesrat und die bürgerliche Parlamentsmehrheit gegen einen Artikel für die gewaltfreie Erziehung im ZGB wehren.
Ein bürgerlicher Nationalrat hat einmal gesagt, ein Klaps aufs Füdli nütze oft mehr als fünf Psychologen. Schläge sollen also nützlicher sein als Worte? Viele Eltern sind vom Gegenteil überzeugt: Handgreiflichkeiten sind alles andere als sinnvoll. Für den Moment wird sich das Kind vielleicht – im wahrsten Sinne des Wortes – geschlagen geben, aber langfristig sind Schläge in der Erziehung kontraproduktiv. Sie machen das Kind eher aggressiv, es lernt Gewalt zu akzeptieren und später vielleicht selber anzuwenden.
Eltern dürfen nicht kriminalisiert werden
Manche Eltern befürchten, mit einem Gesetz für gewaltfreie Erziehung könnten ihnen Strafen drohen, falls ihnen einmal die Hand ausrutsche. Doch weder in Deutschland noch in Österreich ist je ein Vater oder eine Mutter wegen eines Klapses bestraft worden. Niemand soll kriminalisiert werden! Deshalb muss das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetz verankert werden und nicht im Strafgesetz.
Hohe Signalwirkung
Ohrfeigen oder Klapse erniedrigen und demütigen ein Kind, sie sind schädlich für seine Entwicklung. Ebenso psychische Grausamkeiten. Ein Artikel für das Recht auf gewaltfreie Erziehung hat eine hohe Signalwirkung und führt längerfristig zu einem gesellschaftlichen Sinneswandel, das sieht man in unseren Nachbarländern.
So bleibt zu hoffen, dass Marchand-Balet mit ihrer Motion Erfolg hat. Unterstützung aus der Zivilbevölkerung würde ihr Anliegen befeuern: Helft mit und unterschreibt die Petition für eine gewaltfreie Erziehung der Kinder!